Eine kurze Meditation über die Zeit für Sopran und Streichquartett nach Texten von Stephen Hawking, Jochen Klepper und dem Buch Kohelet (2019 / 18') Das Werk erhielt 2020 den Kirchenmusik-Kompositionspreis der Stadt Neuss.
In kosmischen Dimensionen verläuft Zeit anders als in unserer Alltagserfahrung. Inspiriert durch den Bestseller „A Brief History of Time“ des Astrophysikers Stephen Hawking werden in „Eine kurze Meditation über die Zeit“ verschiedene Arten der musikalischen Zeitgestaltung erforscht: Schnell wechselnde kontrastierende Abschnitte wie kurze Einblicke in Paralleluniversen, Zeitmodulationen, die an die Relativitätstheorie erinnern, und Zeitabläufe, die scheinbar beziehungslos nebeneinander angeordnet sind. In biblischem Sinn hat Zeit aber auch mit Gott zu tun: „Alles hat seine Zeit“. Und die Hoffnung auf ein gutes und lebenswertes Leben in der kurzen Zeit, die dem Menschen von Gott gegeben wird, wird im zweiten Teil des Stückes in einer großen Melodie entfaltet.
Nähere Informationen zum Stück:
Der Titel und das Konzept von "Eine kurze Meditation über die Zeit" sind angeregt durch den Bestseller "A Brief History of Time" von Stephen Hawking. Nach Hawking nähert man sich der Frage, was Zeit ist, indem man das Universum und seine Entstehung erforscht. Wer dies tut, stößt am Ende auch auf die Frage nach Gott. Inspirierend waren Hawkings Erklärungen von der Zeit als einer flexiblen Größe: "The theory of relativity put an end to the idea of absolute time! It appeared that each observer must have his own measure of time, as recorded by a clock carried with him, and that identical clocks carried by different observers would not necessarily agree."
Auch das biblische Buch Kohelet aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. handelt von der Zeit in Beziehung zum Universum (zur Sonne, zum "Himmel"). Es geht dabei vor allem um die begrenzte Lebenszeit des Menschen, die von Gott zugeteilt wird: "Alles hat seine Zeit. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit." Bemerkenswert ist die Sichtweise vom Ablauf der Zeit als ewige Wiederkehr von Gleichem: "Es gibt nichts Neues unter der Sonne" und "Was auch immer geschehen ist, war schon vorher da, und was geschehen soll, ist schon geschehen" Aus der fatalistisch anmutenden Anschauung erwächst die Erkenntnis, daß der Mensch seine Lebenszeit nicht nur gut nutzen sollte, sondern auch genießen darf: "Aber immer, wenn der Mensch (...) das Glück kennenlernt, ist auch das ein Geschenk Gottes"
Musik, als Kunst der Zeitgestaltung, ist wie kein anderes Medium dafür prädestiniert, über die Zeit zu reflektieren. Der Titel "Meditation" ist auch eine Referenz an Olivier Messiaen und seine Idee von der "Gleichzeitigkeit der Zeiten". Kompositorische Grundidee sind Modulationen zwischen zeitlichen Abläufen und metrischen Pulsen. Das Tonmaterial ist aus den leeren Saiten von Violine und Viola entwickelt, und bietet mit seinen übermäßigen Sekunden und festen und beweglichen Tonstufen ein orientalisch anmutendes Ambiente für den, oft psalmodisch rezitierten, Bibeltext.
Das Stück hat zwei Haupteile: Der erste macht den Ablauf der Zeit in der "Gleichzeitigkeit der Zeiten" und in der ständigen Wiederkehr von Vergangenem hörbar. Dabei entsteht die Vorstellung von verschiedenen Fenstern, die sich abwechselnd in unterschiedliche Realitäten öffnen. Der zweite Hauptteil ist als große Melodie gestaltet. Er verwendet dasselbe Tonmaterial und auch das Verfahren der Umdeutung von Notenwerten. Hier wirkt es aber üppig und "romantisch" - es geht um die Sehnsucht nach Glück im unsicheren Gang der Zeit. Den Rahmen bilden zwei einfache Strophen nach einem Liedtext von Jochen Klepper, die den Segen des ewigen Gottes für unseren Weg durch die Lebenszeit erbitten.
Die drei Textebenen werden durch drei Sprachen hervorgehoben: deutsch für den Liedtext, lateinisch/deutsch für die Bibeltexte und englisch für die Zitate von Stephen Hawking. Für letztere treten die Streichquartettspieler aus ihrer Musikerrolle heraus und übernehmen dramaturgische Funktion, die auch schauspielerisch angedeutet werden kann.
Das Stück bleibt mit den unbeantworteten Fragen nach der Zeit, nach der Welt und nach Gott in der Schwebe; und es wird jenseits aller religiösen Rechthaberei die Hoffnung formuliert, es möge jemand da sein, der hilft, "damit wir sicher schreiten".
Die Begründung für die Preisvergabe der Fachjury unter Vorsitz von Dr. Thomas Daniel Schlee im Wortlaut:
"Überzeugend wirkt die gedankliche Erweiterung der vorgegebenen Texte, die durch die Mehrsprachigkeit eine reizvolle Färbung erfährt.
Die große Palette der musikalischen Elemente gewinnt durch die bewusste Gestaltung an Profil. Das Thema „Zeit“ ist in vielfältigem Umgang mit irrationalen Metronomverhältnissen in origineller Weise präsent."