Drei Geistliche Lieder - für Sopran und Klavier nach Texten vonPaula Ludwig, Lothar Zenetti und Otmar Schulz für Sopran und Klavier, (2018, 17’)
Zum Stück:
Drei geistliche Lieder über lyrische Texte, die nach einem Du, nach dem Wunder des Lebens, nach Gott fragen. Jedes der drei Lieder geht von einem begrenzten Tonvorrat aus: "...und nur fünf Töne". Die beiden Zwischenspiele lassen den vorigen Klang vergessen und den nächsten entstehen. Sie bilden in ihrem distanzierten Charakter einen Gegensatz zu den emphatischeren und expressiveren Liedern: Man kann sich neutral-weiße Zwischenräume zwischen drei farbigen Bildern vorstellen.
Die Drei geistlichen Lieder können als Zyklus oder einzeln in kirchlichen oder nichtkirchlichen Konzerten aufgeführt werden.
Die Uraufführung war am 22.02.2019 im Rahmen der Konzertreihe "Nachtklänge" in der Kirche St. Ludwig, Celle, durch Sophia Körber, Sopran und Daniel Rudolph, Klavier. Vielen Dank für die wunderbare Zusammenarbeit!
Celle, den 14.03.2019,
Klaus-Hermann Anschütz
Texte der Lieder:
Ich kann nur die Flöte spielen
und nur fünf Töne
Wenn ich sie an die Lippen hebe
kehren die Karawanen heim
und in dunklen Scharen die Vögel
Dann rudern die Fischer ans Ufer
und aus den Morgenländern kommt duftend
der Abend zurück
Am Stamme des Ahorns lehn ich
im Schatten des Efeus
und sende mein Lied nach dir aus
Paula Ludwig aus "Dem dunklen Gott.
Ein Jahresgedicht der Liebe", 1931
Lebenszeichen
In einer der üblichen
Konferenzen, die irgendeine
mehr oder minder bedeutsame
Institution aus welchen Gründen
auch immer für wichtig erachtet,
und wo sich – alles in allem –
nicht einmal gar nichts bewegt,
kroch mir, wie ich da saß, ein
Marienkäferchen über den Ärmel,
wagte sich dann hinab auf den
Tisch und entschloß sich sogar,
dort ein Papier (eine riesige
Fläche für dieses winzige Wesen)
zu überqueren. Schwarz und rot,
somit selber gepunktet, lief es
hinweg über sämtliche Punkte
der Tagesordnung, ohne denselben
weiter Beachtung zu schenken.
Käferchen, denk’ ich, liebes
Mariechen, wie schön, dass du
lebst, und ich darf es wohl auch:
leben, mein ich, trotz allem.
Doch schau: jetzt entfaltet’s
zur Probe die Flügel, und
schon fliegt’s davon, dieses
winzige Wunder des Lebens an
diesem ganz gewöhnlichen Tag.
Lothar Zenetti aus "Wir sind noch zu retten", 1989
Fragst du mich
Fragst du mich nach Gott, mein Kind:
wir atmen ihn ein und atmen ihn aus;
er ist in der Nähe und er ist fern,
er ist uns vertraut und bleibt immer fremd.
Fragst du mich nach dem hellen Gott:
Er ist die Sonne, das Meer, der Wind,
er ist die Blume, die Wiese, der Wald,
er ist das Lachen und auch das Glück.
Fragst du mich nach dem dunklen Gott:
Er ist der Hunger und er ist der Krieg;
er ist das Weinen, die Schwermut, das Leid,
er ist die Angst und ist auch der Tod.
Der helle Gott und der dunkle Gott
sind ein und derselbe, untrennbar vereint.
Gott ist das alles und mehr noch als alles,
er ist eben Gott, mein Kind.
Otmar Schulz, 2004