Kreislauf

Kreislauf - für Bläserquintett (Flöte, Oboe, Klarinette in B, Horn in F, Fagott) 
und Tontechnik (2014, 11')
Uraufführung am 18.12.2015
in der St. Ludwigs-Kirche, Celle
mit
Anne Mareike Bischof, Flöte
Friederike Kayser, Oboe
Sebastian Wendt, Klarinette
Elena Kakaliagou, Horn
David Schumacher, Fagott
Klaus-Hermann Anschütz, Tontechnik
Zum Stück:

Stonehenge, das Pantheon, das Labyrinth von Chartres - Archaische Kreisformen und repetitive Muster üben auf mich eine große Faszination aus. Gleiches gilt für manche Wiederholungsstrukturen in der Musik: Passacaglien und Ostinati, bestimmte Strophenformen, wie z.B. der "kugelförmige" Hymnus "Iam Christe, sol Iustitiae" ... - "Zwar gibt es bisweilen etwas, wovon es heißt: Sieh dir das an, das ist etwas Neues - aber auch das gab es schon in den Zeiten, die vor uns gewesen sind" (Koh. 1,10). Und: "Gott ist die unendliche Kugel, deren Mittelpunkt überall und deren Umfang nirgends ist." (Buch der 24 Philosophen)
 
Unmittelbar zur Komposition angeregt wurde ich durch das neue Fenster im südlichen Querhaus des Kölner Domes: Ich finde die originelle Verbindung christlicher Tradition und postmoderner Kunst, 
den Dialog der zufälligen und anonymen Farben und Muster mit der gleichsam schicksalhaft vorgegebenen Kirchenarchitektur überaus spannend. Und von der Sonne hinterleuchtet sieht das Fenster prachtvoll aus!
 
In Analogie zum Vorbild Gerhard Richters habe ich bei der Komposition von Kreislauf Zufallszahlen eingesetzt. Die Ergebnisse wurden jeweils Ton für Ton auf "Gefallen" oder "Nichtgefallen" überprüft, sowie in gleichartige Verläufe, die sich fugenartig überlappen, eingepasst. Jeder der quasi Fugeneinsätze entwickelt sich aus dem Nichts zurück in das Nichts. - Als Vorbild für diese uniforme dynamische Struktur habe ich das Kyrie aus dem Requiem von György Ligeti gewählt. 
Als weitere Einbruchstelle für das Zufällige und Unverfügbare, habe ich nachträglich Teile der ursprünglich präzise notierten Abläufe in eine offene Notationsform umgewandelt.
 
Bei der Aufführung werden die entstandenen musikalischen "Lebensläufe" von verschiedenen Spielorten aus vorgetragen. - Man kann sich dabei vorstellen, dass man - wie in Chartres - ein Labyrinth abschreitet um in den geheimnisvollen Windungen einen Sinn oder ein Ziel zu entdecken. Für die zeitliche Koordinierung sorgen, nur für die Musiker hörbar, Ansagen auf mp3-Playern. 
Nach einer Weile bricht der Kreislauf der Kreisläufe auf: Es folgt eine wie improvisiert klingende Melodie der Flöte - eine feierliche Hornfanfare (beide aus den intervallischen Bestandteilen des Hymnus "Iam Christe, sol iustitiae" gewonnen) - Ruhepunkt, Steigerung, Abbruch...